Phillis

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Philipp Timmermann alias Phillis ist am 29.12.1978 in Hamburg geboren und im schönen Wohldorf-Ohlstedt aufgewachsen. Die ersten Kontakte mit dem fliegenden Plastikdeckel, der später einmal eine so große Rolle in seinem Leben spielen sollte, hat Phillis am Gymnasium Ohlstedt im Sportunterricht und später in der Schüler-Ultimate AG gesammelt.

Mein erster Eindruck von Phillis war natürlich etwas von der Körpergröße beeinflusst – es ist ja beim Ultimate eigentlich nicht förderlich, kleiner als 170 cm zu sein… und so war sein erster Nickname: der Kurze. Zu dem Zeitpunkt hielt ich andere Nachwuchsspieler für talentierter, allerdings hatte ich da nicht mit Phillis „ich springe höher als ich groß bin“ gerechnet. Böse Zungen vermuten sogar, dass Phillis bei seiner Erschaffung wohl die Wahl zwischen Hals und Sprungkraft gehabt haben muss… Zur großen Freude aller blieb Phillis beinhart am Ball (resp. an der Scheibe). Und auch die Tatsache, dass er sich auf den ersten Turnieren, die er mit den Hamburg Seagulls (Open Team) damals bestritt, immer gegen Ende des Wochenendes auf die sanitären Einrichtungen zurückziehen musste, um sich zu übergeben, schreckte ihn nicht davon ab, voll dabei zu bleiben. Wohlgemerkt musste sich der Arme damals im zarten Alter von etwa 14 Jahren natürlich nicht aufgrund von Alkoholkonsum übergeben – der sollte erst wesentlich später eine gewisse Rolle auf Partys gespielt haben – sondern schlicht und ergreifend, weil er sich komplett verausgabt hatte. Diese Einsatzbereitschaft konnte man auch den Rest seiner Ultimate-Karriere über kontinuierlich verfolgen, erfreulicherweise ohne die anfänglichen Peristaltikstörungen.

So hatte er sich recht bald den bleibenden Spitznamen Phillis eingehandelt. Wie der genau zustande kam, ist eine dieser Fragen. Hatte da Syphilis eine Rolle gespielt? Man weiß es nicht so genau, jedenfalls wurde dieser handliche Name verbunden mit der Rückennummer 4 dann im Frisbeesport wohlbekannt.

In Zeiten der Plagiatsvorwürfe soll hier der Einfachheit halber die Zusammenfassung der sportlichen Höhepunkte in Phillis‘ Frisbeekarriere wörtlich aus dem Nachruf des DFV zitiert werden:

„Wichtige Höhepunkte seiner sportlichen Karriere waren die Teilnahmen an zahlreichen Europa- und Weltmeisterschaften (WM 1998 in Blaine/ USA, WM 2000 in Heilbronn, EM 2003 in Fontenay-Le-Comte/ Frankreich, WM 2004 in Turku/ Finnland, EM 2007 in Southampton/Großbritannien, und WM 2008 in Vancouver/ Kanada) sowie an den World Games 2005 in Duisburg. Mit seinem Clubteam „Hardfisch“ Hamburg wurde er 2006 und 2007 Deutscher Vizemeister. Im Oktober 2010 wurde er mit dem Schweizerischen Openteam „Flying Angels Bern“ beim Finalturnier in Lloret de Mar Club-Europameister. Noch 2011 war er in der Vorbereitung auf die EM als Trainer und Kapitän weiter involviert und begleitete das Open-Nationalteam „Inside Rakete“ nach Maribor/Slowenien, obwohl er dort schon nicht mehr gespielt hat.“

Ja, das waren eine Menge Turniere und einige davon konnten auch ziemlich erfolgreich beendet werden. Man darf nicht vergessen, dass beim deutschen Frisbee in den 80ern im Prinzip eine absolute Dabein-sein-ist-alles-Mentalität herrschte und sich der sportliche Ehrgeiz, der bei Phillis immer eine große Rolle spielte, erst im Laufe der Zeit entwickelte. So hat er uns im Clubteam und später auch im Nationalteam immer gepusht, damit wir fitter wurden und einen Satz nach vorne machen konnten. Ebenso hat er sich natürlich immer für Nachwuchsförderung eingesetzt und zugesehen, dass nicht nur Leute beim Frisbee hängen blieben, die zu unsportlich für Basketball, Fussball etc. waren. Ultimate Frisbee war in Phillis‘ Augen ein Hochleistungssport mit intensivem, aber absolut fairem Wettkampf, bei dem auch das Miteinander mit den anderen Teams und die Partys auf den Turnieren nicht zu kurz kommen durften. Also letztlich ein schönes Gleichgewicht mit Betonung der Leistungsbereitschaft. Es sind ja auch vor allem die schönen und fröhlichen privaten Erlebnisse, an die man sich besonders erinnert. Wer außer Phillis weiß schon noch so genau, ob wir 2005 2ter, 3ter oder 7ter geworden sind…

Gibt es ein Leben neben dem Frisbee? Um einen amerikanischen Ultimate-Spieler zu zitieren: „Work is something between ultimate tournaments…“ Ja, das Studium hat glaube ich zwei, drei Semester länger gedauert, das könnte auch damit zu tun haben, dass wir ständig für irgendeine WM trainiert haben. Und was gibt es sonst noch so: Reisen war natürlich auch ein großes Hobby, so haben wir wie viele Frisbee-Spieler im Anschluss an die großen Turniere das eine oder andere Land erkunden können. Auch unabhängig vom Frisbee standen vier Hamburg-Hardfische inklusive Phillis auf dem Gipfel des Kilimandscharo und auch das Abreiten der einen oder anderen Welle war gemeinsam in Portugal und dann in Californien und auf Hawaii (seiner großen Traumdestination) möglich. Mit Sonja hat er kurzerhand Südostasien unsicher gemacht.

Ja, also die Frauen haben es Phillis vor allem beim Frisbee angetan, was ja auch sehr praktisch ist, wenn man quasi seine ganze Zeit mit diesem Sport verbringt. So war er im Anschluss an die WM 2000 nach einer etwas extravaganten Tanzeinlage lange mit Kathrin liiert und auch seine spätere Angetraute Sonja hat er beim Frisbee kennen und lieben gelernt. Leider konnte die Hochzeit nur im Krankenhaus stattfinden, aber das hat die Schönheit der Feier sicher nicht gemindert.

Als bei Phillis der bösartige Hirntumor diagnostiziert wurde, hat er trotzdem noch einige Frisbeeturniere aktiv und später passiv begleitet und hat diesen größten Kampf seines Lebens auf die intensivste Art durchgestanden. Nach vier Operationen und Radiochemotherapie war dann irgendwann klar, dass er dieses Spiel nicht mehr gewinnen würde, und das macht einen großen Sportler im Frisbee aus – er konnte sich auch mit der Niederlage arrangieren und seinen Frieden damit machen. So hat er uns allen das Gefühl gegeben, dass es kein verlorenes Spiel war, sondern ein großartiges Match, bei dem man jeden Tag und jede Sekunde genießen konnte. Und würde er heute vor die Wahl gestellt, er würde alle Entscheidungen wieder so getroffen haben – vielleicht mit leichter Korrektur bei der einen oder anderen Wurfentscheidung…

Roman