Mein Reise mit dem Phillis Award – von Meg Goldbuch
2. Juli 2014 – 12. Juli 2014
Mein Flug nach Boston startete am 2. Juli 2014, um 12:50 Uhr vom Flughafen Berlin-Tegel. Ich bin vorher erst einmal geflogen, aber nicht allein. Ich bin also das erste mal allein geflogen und musste in Paris umsteigen. Der Flug verlief ruhig, ich hab meinen Anschlussflieger gut erreicht und kam dann um 18:20 Uhr Ortszeit am Flughafen in Boston an. Dort hat mich dann meine Gastfamilie aus Boston abgeholt. Ich bin mit ihnen nach Sommerville, eine kleine Stadt etwa 15 Minuten von Boston enfernt, gefahren.
Meine Gastfamilie, die Mathews, bestanden aus Morgane, der Mutter, dem Vater Rob, den drei Töchtern Gabi (17), Katia (15), Dominique (13) und der Hündin Jersey. Katia spielt seit diesem Jahr Ultimate an der High School. Durch ihre Trainerin haben sie über den Phillis Award erfahren und gerne bereits erklärt, mich für die Tage vor und nach dem National Ultimate Training Camp (NUTC) bei sich aufzunehmen.
Mit dem Mathews habe ich also die nächsten beiden Tage verbracht, bevor das Camp dann am Samstag beginnen sollte. Sie waren sehr nett zu mir und wir haben ein bisschen die Gegend erkundet und kleinere Ausflüge unternommen. Wir waren unter anderem bei einer Veranstaltung bei der der Independence Day am 4. Juli gefeiert wird (Boston Pops Firework Spectacel). Gabi ist dort mit dem Boston Children Chorus aufgetreten.
Am 5. Juli, also am Samstag, wurde ich von meiner Gastmutter Morgane zu einer anderen Familie gefahren, die mich mit nach Amherst nehmen sollte. Für deren Sohn Ethan war es bereits das dritte Jahr im NUTC. Auch er und sein Vater waren sehr nett und interessiert, etwas darüber zu erfahren, warum ich dort war und wie es mir bis dahin in den USA gefallen hat.
Die Fahrt dauerte etwa zwei Stunden. Als wir schließlich am Amherst College ankamen, wurden wir super freundlich von den Counselors (den Betreuern bzw. Trainern) begrüßt. Sie fragten von woher wir kommen und ob es die erste Teilnahme am NUTC für uns sein würde. Als ich ihnen dann erzählt habe, dass ich aus Deutschland bin, wussten sie alle gleich genauer Bescheid und haben mich nochmal sehr herzlich willkommen geheißen und gesagt, dass sie sich sehr freuen, dass ich gut angekommen bin. Danach habe ich den Schlüssel für mein Zimmer bekommen, außerdem noch, wie alle anderen Camper auch, ein weißes T-Shirt, eine Sporttasche und eine Frisbee-Scheibe.
Alle im Camp waren extrem lieb zu mir. Ein Counselor hat mir geholfen, meine Sachen in mein Zimmer zu bringen. Kaum war er weg, kam eine andere Counselorin und hat mich gefragt, ob ich mit nach draußen kommen möchte. Dort habe ich dann mit ein paar Leuten geworfen und etwas später sind alle gemeinsam zu den etwa drei Minuten zu Fuß entfernten Spiel-Feldern gegangen, um dort ein paar Runden Pick-Up zu spielen und um die anderen Spieler kennenzulernen. Während der Spiele habe ich auch meine Zimmerpartnerin das erste Mal getroffen. Sie ist 16 und kommt aus Saint Paul, Minnesota.
Am Abend gab es dann zum ersten Mal Essen in der College Kantine. Es gab die ganze Woche über zu jeder Mahlzeit eine sehr große Auswahl. Das Essen war sehr gut und lecker. (Und es gab so viel gratis Eis wie man haben wollte!)
Nach dem Abendessen haben sich die Counselors vorgestellt und Tiina Booth, die Gründerin und Organisatorin des National Ultimate Training Camps, hat Camp-Regeln erklärt und erläutert. Eine wichtige Regel im Camp ist z.B., dass nichts geduldet wird , was andere irgendwie verletzen könnte, wie z.B. sexistische oder religiöse Anspielungen, ebenso auch Schimpfwörter oder respektlose Sprache. Das hat, denke ich, sehr zu der wunderbaren Atmosphäre im Camp beigetragen und dafür bin ich sehr dankbar!
Ganz besonderer Fokus lag auch darauf, dass jeder aufpassen musste, nicht zu dehydrieren. Es wurden erste Anzeichen und Symptome, Folgen und Gegenmaßnahmen erklärt. Insbesondere: Extrem viel Wasser trinken! In der Woche konnte man an keiner Veranstaltung vom Camp teilnehmen, wenn man nicht seine (volle!) Wasserflasche dabei hatte.
Später am ersten Abend fand ein sog. Floor-Meeting statt, wo sich alle Bewohner auf einem Stockwerk-Flur, in unserem Fall sechs Mädchen und drei Counselorinen, getroffen haben und den Tag nochmal besprachen. Um 22:00 Uhr war Nachtruhe. Die meisten waren ohnehin so geschafft vom Tag, dass alle meist schnell schlafen gingen.
Ich hatte an den Abenden so auch viel Zeit, mich mit meiner Zimmerpartnerin, Eleanor, zu unterhalten. Wir sprachen z.B. über das tägliche Training und am ersten Abend besonders über die bevorstehende Teamauswahl.
Die Trainingstage liefen in etwa gleich ab: 7.00 Uhr Frühstück, von 8:00 bis 11.30 Uhr Trainingseinheit I, in welcher zunächst jeden Tag eine bestimmte Regel erklärt und genauer vorgestellt wurde (z.B. Sonntag Marking Infractions, Montag Pic Calls, usw.), dann haben sich alle gemeinsam aufgewärmt und verschiedene Übungen gemacht. Am Ende der ersten Übungseinheit wurde dann noch eine kleine (oder auch nicht so kleine) Fitnesseinheit gemacht, wie z.B. Linienläufe oder sog. Hill Runs, bei denen man den Hügel neben den Feldern hinauf rennen und verschiedene Kraftübungen machen musste. Danach war wohl jeder ziemlich geschafft und es gab ein wohlverdientes Mittagessen und eine Mittagspause. Um 13:15 Uhr startete die Trainingseinheit II. Sie ging bis ca. 15:30 Uhr. Dabei wurde am Anfang jeweils eine Taktik erklärt (z.B. Sonntag Resets im Aufbau, Montag Horizontal Stack, usw.) und wie und wann man diese einsetzen sollte. Dann gab es passende Übungen zu den jeweils vorgestellten Taktiken und danach haben wir meistens in Teams gegeneinander gespielt. Nach der Nachmittags-Trainingseinheit konnte, wer wollte, im nahegelegenen Hallenschwimmbad baden gehen. Danach gab es Abendessen und das jeweilige Abendprogramm.
Am Sonntag Abend wurden schließlich die oben erwähnten Teams eingeteilt, in denen man dann den Rest der Woche trainieren und spielen würde. Ich denke, dass alle darauf schon den ganzen Tag gewartet hatten. Nach den ersten beiden Tagen kennt man langsam ein paar Leute, mit denen man vielleicht ganz gerne in einem Team wäre, aber doch noch so wenige, dass es sein kann, dass man niemanden aus seinem späteren Team vorher schon kennengelernt hatte.
Es wurden insgesamt sieben Teams eingeteilt. Jedes Team hatte von dem Zeitpunkt an ein bis zwei Counselors, die sich auschließlich um „ihr“ Team kümmerten. Dann wurde in verschiedensten Disziplinen, wie z.B. Mental Battle-Ship (Schiffe versenken – nur halt im Kopf) oder Clothspin Competition (wer sich innerhalb von 30 Sekunden die meißten Wäscheklammern im Gesicht befestigt gewinnt – der Camper, der das für sein Team gewonnen hat, hatte 23 im Gesicht!) darum gespielt, wer sich zuerst die Farbe der Trikots fürs sein Team aussuchen durfte. Mein Team hat dann schließlich die heiß gewünschten blauen Shirts bekommen.
Von diesem Zeitpunkt an habe ich die meiste Zeit in diesem Team verbracht. Meine Team-Counselors waren Wesley Chow und Eli Motycka. Wesley studiert an der University of Colorado und spielt mit Mamabird. Eli studiert an der Brown University und spielte unter anderem U19 Open im Team USA 2012 und 2014. Ihn habe ich später bei den Junior Worlds in Lecco in Italien wieder getroffen.
Eli hat auf Anregung von Tiina auch ein Interview mit mir gemacht (erschienen auf Ultiworld). Wir sprachen über meine Erfahrungen im Camp und den Unterschied zwischen Junioren Ultimate in Deutschland und in den USA (http://ultiworld.com/2014/07/22/nutc-chat-2014/).
Wesley und Eli haben uns gecoached und uns in der kurzen Zeit als Team zusammenwachsen lassen. Wir haben alle unglaublich viel Spaß miteinander gehabt, sowohl auf dem Spielfeld als auch daneben, beim Essen oder einfach nur beim gemeinsamen Zeit verbringen.
An den übrigen Abenden gab es verschiedene Social-Activities: Ein Spiel Camper vs Counselor, eine Trading Night, die sog. Disc Olympics, bei denen die einzelnen Teams in Disziplinen wie Disc Golf oder Spinning gegen einander angetreten sind. Und am letzten Abend gab es noch die Talent Show, welche für mich ein besonderes Highlight war, weil es unglaublich schön anzusehen war, wie alle Camper, die sich gerade erst seit vier Tagen kannten, so schön gemeinsam lachen und fröhlich sein konnten und sich alles dabei extrem vertraut angefühlt hat.
Am Ende des Camps wurde noch ein kleines Turnier der sieben Teams ausgespielt. Am Donnerstag, in der traurigen Gewissheit, dass dies der letzte Tag sein sollte mit all den wunderbaren Leuten, die ich in dieser Woche kennengelernt habe, aber auch mit der Fröhlichkeit mit so vielen tollen Menschen um mich herum, wurden Halbfinal- und Finalspiele gespielt. Mein Team war schon in der Runde zuvor ausgeschieden. Daher schliefen wir am Donnerstag aus, gingen zu unserem letzten gemeinsamen Frühstück und dann zu den Spiel-Feldern, um den anderen Teams zuzuschauen. Nebenbei feilten wir vormittags mit Wesley und Eli an unseren Wurftechniken. Nachdem das Finale ausgespielt war, trafen sich dann alle zur Abschiedszeremonie.
Dort wurden in verschiedenen Kategorien Teams und einzelne Camp-Teilnehmer geehrt. Zum Bespiel wurde das Team ausgezeichnet, welches die Disc Olympics gewonnen hatte. Oder diejenigen Camper wurden geehrt, die den Counselors am meisten unterstüzt hatten. Oder die Spieler, die am härtesten an sich gearbeitet haben während der Übungen und Trainingseinheiten über die gesamte Woche gesehen. Außerdem wurde von den Team-Counselorn noch jeweils der Spieler aus dem eigenen Team geehrt, der am härtesten gearbeitet hatte, die größte Entwicklung während der vergangenen Woche hinter sich hatte und der Spieler, der den meisten Spirit in dieser Woche gezeigt hat.
Ich habe den Distance Contest in der Mädchen Division gewonnen, ein Wettbewerb, der am Tag zuvor ausgetragen worden war und in dem es darum geht, in verschiedenen Altersgruppen jeweils denjenigen zu finden, der den längsten Wurf beherrscht. Außerdem wurde ich als einer der beiden „Hardest-Worker“ der Woche geehrt.
Darüber hinaus wurden auch diejenigen Camper, die nun schon das dritte Jahr oder länger im NUTC gewesen und im nächsten Jahr zu alt sein würden, mit einem großen Applaus der restlichen Camper und einem Dankeschön von den Counselorn und Tiina besonders gewürdigt.
Tiina hat schließlich noch Eli Motycka, Sebbi Di Francesco (auch er war Camper) und mich nach vorne gebeten, da wir alle drei in der nächsten Woche nach Lecco in Italien fahren sollten, um bei den Junior Worlds anzutreten. Eli und Sebbi als Teammitglieder des U19 Open USA Teams und ich als Spielerin im deutschen U17 Mädchen Team. Auch das wurde mit einem kräftigen Applaus gewürdigt.
Ich möchte hier kurz hinzufügen, dass es in den USA im Vergleich zu Deutschland einen großen Unterschied in dem Stellenwert des Junioren Nationalteams gibt. In Deutschland gibt es nicht annähernd so viele Junioren Spieler wie in Amerika. Das bedeutet, dass dort zum Nationalteam und den Nationalspielern, noch viel mehr hinaufgeschaut wird als bei uns. Es ist dort eine große Besonderheit, wenn jemand in den Kader aufgenommen wird. Die Auswahlkriterien in den USA sind sehr streng und die Konkurrenz extrem groß. Es bewerben sich beispielsweise tausende Jungs für das U19 Open Team und es werden nur ca. 80-90 überhaupt für ein Try-Out eingeladen. Von ihnen schaffen es dann letztendlich 20-25 Leute ins Team. Die Dimensionen sind einfach gewaltig im Vergleich z.B. mit den ca. 50 Bewerbern für das Deutsche Junior Open Team 2014.
Beim NUTC wirkt sich dieser Leistungsunterschied allerdigns weniger aus. Das Camp ist für Middle School Spieler und High School Spieler konzipiert (14-18 jährige) und die Trainingsinhalte werden so gestaltet, dass sowohl Anfänger als auch etwas weiter fortgeschrittene Spieler gut zurechtkommen. Es ist einfach ein extrem cooles Ferienlager, in dem junge Ultimate Spieler zusammenkommen, um gemeinsam zu lernen und Fortschritte zu machen, aber auch einfach um eine wundervolle Woche zu haben und neue Freunde kennenzulernen.
Nach der Abschlusszeremonie hat jeder Camper eine Urkunde und eine Leistungseinschätzung von seinem Team-Counselor bekommen. Meine ist von Wesly geschrieben und hat mir sehr geholfen. Ich weiß nun ziemlich genau, woran ich für die nächste Saison und darüber hinaus arbeiten werde.
Dann kam auch schon der Abschied von all den wunderbaren Leuten. Viele verabschiedeten sich einfach mit einem: „See you next year at NUTC!“. In meinem Fall war es eher ein: „Vielen Dank, dass ich euch alle kennenlernen konnte!“ Und darüber bin ich wirklich unendlich froh!
Meine Gastfamilie hat mich danach in Amherst abgeholt und wir sind wieder zurück nach Somerville gefahren. Am nächsten Tag waren wir nochmal gemeinsam nach neuen Stollenschuhen für mich schauen, da diese und andere Sportsachen in den USA deutlich billiger sind als hier. Und wir sind noch mit dem Auto ans Meer gefahren. Am Samstag ging dann mein Flug, wieder über Paris, zurück nach Deutschland.
Alles in allem waren es nur zehn Tage. Aber in diesen Tagen habe ich unglaublich viel gelernt: Was Ultimate-Technik bzw. Taktik anbelangt und auch bezüglich der unterschiedlichen Ultimate-Kultur. Aber auch mein Englisch hat sich sehr verbessert. Und für beides bin ich sehr dankbar!
Ich möchte jedem Juniorenspieler und jeder Juniorenspielerin in Deutschland, die es lieben mit anderen Ultimate zu spielen, Lust auf internationale Kontakte und Freundschaften haben und einfach einen unvergesslichen Sommer erleben möchten, während man viel über Ultimate, aber auch über ein Land so weit weg lernt, empfehlen, sich dringendst für den Phillis Award zu bewerben! Weil einem, wie ich es nun fühle, alles von dort einfach doch nicht mehr tausende Kilometer weit weg erscheint, sondern ganz nah und alltäglich wird, einfach weil man Freunde gefunden hat, die man nicht so schnell vergisst!
Ich stehe mit den meisten Leuten, mit denen ich im NUTC zutun hatte, immer noch in Kontakt. Es war großartig, in diesem Sommer in Italien schon ein paar Leute wiederzusehen, wie Eli bei den Junior Worlds oder auch Sam Greenwood (ebenfalls ein Counselor ) bei der WUCC nur einige Tage später. Ich hoffe, ich werde auf der nächsten Junioren Weltmeisterschaft einige der Leute aus meiner NUTC Session in den USA U19 Teams sehen. Es wäre unglaublich, sich nach dieser Zeit wieder zu treffen und wieder eine ganze Woche zusammen erleben zu können.
Außerdem habe ich, seit ich beim NUTC war, den konkreten Wunsch zurück in die USA zu gehen, um dort für längere Zeit in der Ultimate Szene zu leben und zu spielen. Vielleicht ist das ja mit einem College Austausch oder etwas Ähnlichem später möglich …
Ich habe noch heute, wenn ich an die Zeit zurückdenke, gezwungenermaßen immer sofort ein Lächeln im Gesicht. Das ist das tollste Geschenk, was man mir machen konnte und dafür möchte ich allen danken, die mir diese unvergessliche Reise möglich gemacht haben! Besonderer Dank geht an Stefan Rekitt, Sonja Timmermann und alle anderen, die am Phillis Award beteiligt sind und mir, wie schon Johannes Schall und auch allen kommenden Gewinnern des Phillis Award, dieses unglaubliche Erlebnis möglich machen!
Auch ein riesengroßes Dankeschön geht an Tiina Booth, ohne die es nicht möglich wäre, für so viele junge Ultimate Spieler diese unvergessliche Woche im NUTC zu erleben! Außerdem geht ein riesiges Dankeschön an meine Gastfamilie in Somerville, die mich sehr liebevoll bei sich aufgenommen hat.
Und schließlich danke ich meiner kompletten NUTC Session, allen Campern und allen Counselorn dafür, dass ich mich mit euch allen so wohlfühlen konnte, im Besonderen Wesley und Eli dafür, dass ihr mich mit offenen Armen aufgenommen habt und ich so viel von euch lernen durfte!
Danke, es ist eine so unvergessliche schöne Zeit für mich gewesen!
Meg Goldbuch